Melamin ist ein ziemlich alter Hut und wurde tatsächlich erstmals 1834 von Justus Liebig dargestellt. In den 1940er und 50er Jahren wurde es am häufigsten verwendet. Vielleicht erinnert es deshalb an die „gute alte Zeit“, Campingurlaub oder wenigstens ein Picknick im Grünen. Melamingeschirr ist aber nicht immer eine gute Idee.
Melamin ist ein vielseitiges Material, das in verschiedensten Produkten verarbeitet wird. Es wird hauptsächlich in der Herstellung von Melaminharzen verwendet, einer Art von duroplastischem Kunststoff, der hart, hitzebeständig und langlebig ist. Diese Harze werden unter anderem zu Geschirr und Küchenutensilien verarbeitet. Das kann Probleme geben, wenn aus diesen Produkten Material freigesetzt wird und in unseren Kreislauf gelangt.
Was ist Melamin?
Melamin ist ein organisches Molekül, das auf den wissenschaftlichen Namen 2,4,6-Triamino-s-triazin hört. Es besteht aus Kohlenstoff, Wasserstoff und reichlich Stickstoff. Der Stickstoff liegt zum Teil als sogenannte Aminogruppe vor, wie sie auch aus Aminosäuren bekannt sind. Das hat dazu geführt, dass es in einigen Ländern fälschlicherweise als Proteinersatz in Lebensmitteln verwendet wurde, da der Stickstoffgehalt die Ergebnisse von Protein-Tests verfälschen kann.
Gesundheitsgefahren durch Melamin
Melamin ist hitzebeständig und formbar. Diese chemischen und physikalischen Eigenschaften eröffnen seine sehr vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten, können aber auch Probleme mit sich bringen.
Wenn Geschirr aus Melaminharz in der Mikrowelle erhitzt wird oder mit säurehaltigen Lebensmitteln in Kontakt kommt, kann das dazu führen, dass Melamin freigesetzt und im Verdauungstrakt absorbiert wird.
Das ist meist kein Problem. Binnen 24 Stunden wird es vom Körper wieder ausgeschieden. Es gibt aber auch Studien, die zeigen, dass es sich im Körper in verschiedenen Organen, wie Leber, Milz, Utrerus, Hoden, anhäufen kann. Zumindest in Nagetieren.
Die Nieren sind besonders gefährdet. Dort bilden sich in Kombination mit Harnsäure, Proteinen und Phosphat Kristalle, die zur Bildung von Nierensteinen führen können. Das geschieht, wenn die Belastung so hoch ist, dass sie die tägliche Kapazität zur Entsorgung überschreitet.
Melamin ist auch für das Nervensystem gefährlich, vor allem für das sich neu entwickelnde. Es kann bei Schwangeren die Plazenta erreichen und in den Blutkreislauf des Embryos gelangen. In dessen Gehirn schädigt es vor allem den Bereich des Hippocampus. Das ist die Schaltstelle zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis. Es stört verschiedene Ionenflüsse in Nervenzellen. Das ist gar nicht gut, denn Nervenzellen funktionieren elektrisch und der Strom, der in ihnen fließt, stammt von eben diesen Ionenflüssen. Das kann bis zum Zelltod führen. Studien an Nagern haben gezeigt, dass besonders der Hippocampus davon betroffen ist.
Melamin erzeugt auch oxidativen Stress und schädigt die Mitochondrien. Oxidativer Stress bedeutet, dass Radikalfänger es nicht mehr schaffen, alle aggressiven Sauerstoffradikale unschädlich zu machen. Dann richten sie Schäden in der Zelle an.
Und außerdem gilt der Stoff als endokriner Disruptor, der die Kommunikation der Hormone stört.
Risikogruppen
Einige Bevölkerungsgruppen sind anfälliger für die gesundheitlichen Auswirkungen von Melamin:
- Säuglinge und Kinder: Diese Gruppe ist besonders gefährdet, da ihr Körpergewicht geringer ist und ihre Organe sich noch in der Entwicklung befinden. Zudem konsumieren sie oft aus Melamin-Geschirr.
- Menschen mit Nierenerkrankungen: Personen mit bereits bestehenden Nierenproblemen sind anfälliger für die Bildung von Kristallen und Steinen.
- Arbeiter in der chemischen Industrie: Personen, die in der Herstellung oder Verarbeitung von Melamin arbeiten, können durch Einatmen oder Hautkontakt exponiert sein.
Melamin in Lebensmitteln
Melamin kann durch die Migration aus Lebensmittelbehältern in Nahrungsmittel gelangen. Das geschieht ivor allem bei hohen Temperaturen, wie sie beim Erhitzen von Lebensmitteln in Melamin-Geschirr in Mikrowellen auftreten. Die Menge des migrierten Melamins hängt von der Temperatur, der Dauer des Kontakts und der Beschaffenheit der Lebensmittel ab. Saure und fettige Lebensmittel begünstigen die Freisetzung von Melamin aus Behältern.
Manchmal setzt man das Melamin den Lebensmitteln auch bewusst zu. Ein bekannter Fall von Melamin-Kontamination ereignete sich 2008 in China, als Melamin absichtlich Milchpulver und anderen Babynahrungsmitteln zugesetzt wurde, um den Proteingehalt der Produkte vorzutäuschen. Das führte zu einer umfassenden Vergiftung, von der über 300 000 Menschen betroffen waren, darunter viele Säuglinge. Zahlreiche Kinder erlitten Nierenschäden, und es gab mehrere Todesfälle.
Auch in Tiernahrung ist Melamin schon gefunden worden.
Wie wird Melamin hergestellt?
Die industrielle Herstellung von Melamin erfolgt hauptsächlich durch die Pyrolyse von Harnstoff. Harnstoff wird dabei bei hohen Temperaturen (300–400 °C) und unter Druck in Gegenwart eines Katalysators zu Melamin umgewandelt. Der Prozess kann grob in drei Schritte unterteilt werden:
- Thermische Zersetzung von Harnstoff:
- Reaktion von Isocyanursäure: Isocyanursäure, ein Zwischenprodukt, polymerisiert und bildet Melamin:
- Abtrennung und Reinigung: Das Rohmelamin wird von Nebenprodukten wie Ammoniak und Kohlendioxid getrennt und gereinigt, um ein hochreines Produkt zu erhalten.
Die Produktionstechnologie hat sich im Laufe der Zeit verbessert, um energieeffizienter und umweltfreundlicher zu werden. Es bleibt aber das Risiko, das von Cyanursäure ausgeht, denn sie verstärkt die toxische Wirkung von Melamin.
Wo steckt es drin?
Melamin wird hauptsächlich zur Herstellung von Melamin-Formaldehyd-Harzen verwendet. Diese Harze zeichnen sich durch ihre Härte, Kratzfestigkeit und Beständigkeit gegen Chemikalien aus. Sie finden Anwendung in:
- Laminaten: Melaminharze werden in der Herstellung von hochdruckbeständigen Laminaten wie Dekorplatten (z. B. bei Möbel- und Bodenbelägen) verwendet.
- Küchengeschirr: Melamingeschirr ist bekannt für seine Langlebigkeit und Bruchfestigkeit.
- Beschichtungen: Melaminharze dienen als schützende Oberflächenbeschichtungen in Automobilen, elektronischen Geräten und Architektur.
- Düngemittel: Aufgrund seines hohen Stickstoffgehalts wird Melamin als Rohstoff für die Herstellung von Düngemitteln verwendet. Es bietet eine langsame Freisetzung von Stickstoff, was eine nachhaltigere Nährstoffversorgung für Pflanzen gewährleistet.
- Flammschutzmittel Melamin steckt oft in Flammschutzmitteln, insbesondere in der Textil- und Kunststoffindustrie. Es verbessert die Feuerbeständigkeit von Materialien, ohne deren mechanische Eigenschaften erheblich zu beeinträchtigen.
- weitere Anwendungen:
- Papierindustrie: Melaminharze werden zur Verbesserung der Nassfestigkeit von Papier eingesetzt – auch in Lebensmittelverpackungen. Einweggeschirr aus Bambus enthält oft Melamin zur Verbesserung des Produkts.
- Textilindustrie: Melamin wird zur Veredelung von Textilien und zur Herstellung von hitzebeständigen Stoffen verwendet.
- Baustoffe: In Zement- und Betonmischungen verbessert Melamin die Festigkeit und Haltbarkeit.
Und wie wird man es wieder los?
Melamin hat eine relativ geringe Umwelttoxizität und ist biologisch schwer abbaubar. Bei unsachgemäßer Entsorgung oder Freisetzung in die Umwelt kann es jedoch zur Kontamination von Boden und Wasser führen. Die stickstoffreiche Struktur von Melamin kann das Ökosystem beeinträchtigen, indem sie die Stickstoffbilanz in aquatischen und terrestrischen Umgebungen stört.
Da Melamin schwer biologisch abbaubar ist, spielt Recycling eine wichtige Rolle, um die Umweltbelastung zu minimieren. Produkte aus Melaminharz, wie Geschirr und Laminat, werden oft mechanisch recycelt oder zur Energiegewinnung verbrannt. Gleichzeitig sind umweltfreundlichere Alternativen und biologisch abbaubare Harze in der Entwicklung.
Aus dem Körper kann man es zu einem gewissen Grad eliminieren, indem man die Mitochondrien in den Zustand der Autophagie versetzt. Das ist ein Prozess, bei dem unbrauchbar gewordene Zellbestandteile recycelt werden. Man erreicht ihn durch kurzzeitiges Fasten. Am besten bleibt der Melaminteller also leer 🙂 .
Quelle:
Naeimi R, Safarpour F, Askari H, Ghasemi-Kasman M. Current Insights into the Neurotoxicity of Melamine: A Comprehensive Review. Curr Neuropharmacol. 2024;23(1):20-35. doi: 10.2174/1570159X22666240320133241. PMID: 38591198; PMCID: PMC11519818.
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