In vielen Industrienationen machen hochverarbeitete Lebensmittel den Großteil dessen aus, was wir täglich zu uns nehmen. Wer sich dafür ein bisschen sensibilisiert, findet im Supermarkt tatsächlich nur noch wenig echte Nahrung, stattdessen meterlange Regalfluchten voll mit verarbeiteten Industrieprodukten.
Bestimmt schaden hochverarbeitete Lebensmittel uns auch direkt. Aber auf jeden Fall stören sie das empfindliche Gleichgewicht unserer Darmflora. Und das hat sehr negative Folgen für unsere Gesundheit. Sie stehen in Verdacht, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, bestimmte Krebsarten und psychische Störungen zu erhöhen.
Was sind hochverarbeitete Lebensmittel?
Hochverarbeitete Lebensmittel sind industrielle Produkte mit Inhaltsstoffen, die man in einer „normalen“ Haushaltsküche nicht findet. Zumindest nicht in ihrer Reinform – einer fällt mir ein: Carboxymethylcellulose in Tapetenkleister. Aber das ist trotzdem ein schlechtes Beispiel, denn Tapetenkleister enthält sicher noch andere Bestandteile und fristet sein Dasein auch nicht in der Küche.
Also nochmal. Hochverarbeitete Lebensmittel werden industriell produziert, die Zutaten oft zerlegt und anschließend wieder zusammengefügt, wobei teurere Inhaltsstoffe gerne durch günstigere ersetzt werden. Sie enthalten Zusatzstoffe wie Emulgatoren, Verdickungsmittel, Geschmacksverstärker, Aromen und Farbstoffe, Proteinisolate und gehärtete Fette. Außerdem zeichnen sie sich durch eine hohe Energiedichte und einen geringen Nährstoffgehalt aus. Meist liegen sie verpackt im Regal und sind lange haltbar.
Manchmal erkennt man hochverarbeitete Lebenmittel gar nicht auf den ersten Blick. Wer würde abgepacktes Brot aus der Fabrik schon als hoch verarbeitet bezeichnen. Und Brot ist doch gesund, oder? Unser tägliches Brot gib uns heute? Aber auch hier stecken reichlich Zusatzstoffe drin. Das Zeug verdirbt auch nur sehr zögerlich. Nicht mal der Schimmel will es fressen.
Softdrinks, Snacks, Wurstwaren, Fertiggerichte, Süßigkeiten, Eiscreme, gezuckertes Müsli und Müsliriegel, Backwaren, TK- oder Instantgerichte wie Tütensuppen oder Asiasnacks gehören zu den hochverarbeiteten Lebensmitteln. Das ist fast alles, was es im Supermarkt so zu kaufen gibt. Das ist doch alles ganz normale Nahrung, oder? Ganz schön erschreckend.
Die NOVA Klassifikation von Lebensmitteln
Die NOVA Klassifikation teilt Lebensmittel nach ihrem Verarbeitungsgrad ein. Das sind:
1. Unverarbeitete Lebensmittel
Trocknen, Stampfen, Pasteurisieren ist erlaubt. Zum Beispiel frisches Obst und Gemüse, Nüsse, Samen, Körner, Hülsenfrüchte, Fleisch, naturbelassene Milchprodukte.
2. Verarbeitete Zutaten
die durch Mahlen und Raffinieren entstehen, die man eben nicht blank ist. Butter, Pflanzenöl, Salz, Zucker
3. Verarbeitete Lebensmittel
entstehen durch die Kombination von Klasse 1 und Klasse 2 Produkten und können durch Räuchern, Fermentieren, Eindosen usw. haltbar gemacht sein
4. Hochverarbeitete Lebensmittel
Durchlaufen viele Verarbeitungsschritte, enthalten viele Zutaten und Zusatzstoffe, die Haltbarkeit, Geschmack und Konsistenz verbessern. An Produkten der Klasse 1 wird gerne gespart.
Hochverarbeitete Lebensmittel gehören also der Klasse 4 an. An echten Lebensmitteln wird gespart soweit es geht, chemischen Zusatzstoffe sorgen dafür, dass Konsistenz und Geschmack unseren Erwartungen entsprechen. Viele dieser Zusatzstoffe sehen Experten mittlerweile kritisch.
Weitere typische Eigenschaften hochverarbeiteter Lebensmittel sind ein hoher Gehalt an Salz, Zucker, raffinierten Kohlenhydraten und gesättigten Fetten. Ballaststoffe enthalten sie dagegen nur sehr wenig.
So werden hochverarbeitete Lebensmittel bearbeitet
Einfach kochen oder braten ist nicht. In der Lebensmittelindustrie kommen einige zweifelhafte Methoden zum Einsatz, die der Qualität der Produkte nicht unbedingt nutzt.
Bei der Maillard Reaktion, die ab 140°C abläuft, entstehen jede Menge neuer chemischer Verbindungen: Farbe, Röstaromen, vielleicht nützliche, aber leider auch Prooxidantien und Kanzerogene. Allerdings darf man das nicht der Lebensmittelindustrie anlasten. Die Maillard Reaktion findet überall statt, wo bei hohen Temperaturen gebrutzelt und gebacken wird.
Beim Extrudieren wird eine Masse bei hohem Druck durch eine enge Öffnung gedrückt. Wenn der Druck nachlässt, dehnt sich die Masse stark aus. Erdnussflips werden so hergestellt, aber auch Hundefutter und irgendwelche Bauteile für nonfood Prozesse. Beim Extrudieren können ungesättigte Fette abgebaut werden und freie Radikale entstehen. Das ist doof, wenn man es nachher noch essen will.
Durch Hydrierung werden ungesättigte Fette gesättigt. Das verleiht ihnen Festigkeit. Das ist bei der Herstellung von Margarine oder Streichcremes nötig, damit sie nicht vom Brot tropfen. Dabei entstehen aber die besonders ungesunden Transfette. Sie können zum Beispiel das schlechte LDL Cholesterin erhöhen.
Emulgatoren benötigt man, um wasser- und fettlösliche Bestandteile stabil zu mischen. Lecithin ist ein natürlicher Emulgator und kommt in Eidotter vor. In der Industrie verwendet man Polysorbat 80, Carboxymethylcellulose oder Mono- und Diglyceriden von Speisefettsäuren. Solche Emulgatoren verändernd die Zusammensetzung der Bakteriengesellschaft im Darm. Es können sich unerwünschte, entzündungsfördernde Bakterien vermehren. Und Entzündungen stehen oft am Anfang einer Krankheit.
Beim Frittieren steigt der Fettgehalt der Speisen. Außerdem können Fette oxidiert werden und gesundheitsschädigende Verbindungen wie heterozyklische Amine entstehen. Sie sind Biozide, lebenszerstörende Substanzen. Sie entstehen, wenn Proteine sehr stark erhitzt werden, übrigens auch beim braten oder grillen.
Hochverarbeitete Lebensmittel schaden der Gesundheit
Hochverarbeitete Lebensmittel verändern die Zusammensetzung der Bakteriengesellschaft in unserem Darm, zurzeit besser als Darm-Mikrobiom bekannt. (Das stimmt nicht ganz, es gibt dort auch noch andere Lebensformen als Bakterien.)
Die Artenvielfalt nimmt ab, potenziell schädliche Bakterien vermehren sich. Dadurch ändert sich auch die ganze Chemie im Darm. Die neuen Bakterien produzieren ganz andere Stoffwechselprodukte und die schaden uns eher, als sie nutzen.
Plötzlich gibt es viel weniger kurzkettige Fettsäuren, die den Darm stärken, und sich darüber hinaus noch vielfach positiv auf unsere Gesundheit auswirken. Dafür lassen die Neuen die Produktion von TMAO ansteigen. Das ist ein Stoffwechselprodukt, dass zurzeit im Verdacht steht, der Auslöser von Gefäßerkrankungen zu sein.
Die Darmbarriere nimmt Schaden. Dieser Zustand ist als „Leaky Gut“ bekannt. Das ist nicht gut, denn eine intakte Darmbarriere verhindert, dass Bakterien oder deren Stoffwechselprodukte in unseren Körper vordringen.
Die Folge können verschiedene Gesundheitsprobleme sein, wie Fettleibigkeit, Diabetes Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder sogar psychische Störungen.
Na dann – vielleicht doch öfters mal zum Kochlöffel greifen. So ein Schicksal hat das Gargut ohnehin nicht verdient… 😉
Quelle:
Rondinella D, Raoul PC, Valeriani E, Venturini I, Cintoni M, Severino A, Galli FS, Mora V, Mele MC, Cammarota G, Gasbarrini A, Rinninella E, Ianiro G. The Detrimental Impact of Ultra-Processed Foods on the Human Gut Microbiome and Gut Barrier. Nutrients. 2025 Feb 28;17(5):859. doi: 10.3390/nu17050859. PMID: 40077728; PMCID: PMC11901572.
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